„Wir wollen stärker in die Öffentlichkeit“

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), gegründet von Studenten 1925 in Heidelberg und 1950 in Bonn wiedergegründet, fördert den internationalen Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern. Über die Zusammenarbeit mit Großbritannien und das neu gegründete Forschungszentrum für German Studies an der Universität Cambridge spricht der Leiter der Londoner DAAD-Außenstelle Dr. Georg Krawietz mit Milena Bialas und Vanessa Jürcke.

Dr. Georg Krawietz, Leiter der DAAD-Außenstelle in London
Dr. Georg Krawietz, DAAD London

Die Außenstelle des DAAD in London wurde 1952 als erste Außenstelle überhaupt gegründet. Wie kam es dazu und was hat sich seitdem verändert?

Damals, drei Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, war es das Ziel mit den ehemaligen Kriegsgegnern und Alliierten wieder normale Beziehungen aufzubauen. Und die Kulturarbeit spielt ja in der Diplomatie eine sehr wichtige Rolle. Der Aktionsradius des DAAD hat sich seitdem natürlich stark vergrößert. Wir fördern ganz gezielt Projekte, an denen deutsche Universitäten und ausländische Universitäten partizipieren, vor allen Dingen dann, wenn es sich um Deutschlandthemen handelt. Das kann die deutsche Sprache betreffen, die deutsche Geschichte oder das politische System der Bundesrepublik Deutschland.

Wie wichtig sind solche Deutschlandthemen für junge Briten heute?

Wir stellen fest, dass das Interesse in Großbritannien an der deutschen Sprache, aber auch an Fremdsprachen insgesamt in Schulen und Hochschule deutlich nachlässt. Das Interesse an Deutschland als Land mit seiner Kultur, seiner Geschichte, seinem politischen System, auch mit seinem Rechtssystem, hat aber durchaus in den letzten Jahren nicht nachgelassen. Im Gegenteil, da ist sogar ein verstärktes Interesse festzustellen. Das sind also gegenläufige Tendenzen.

Was macht die Universität Cambridge für Studiengänge mit Deutschlandbezug so relevant?

Sie deckt ein enormes Spektrum ab. Das reicht von Politik, über die deutsche Sprache, Geschichte, Rechtswissenschaft, bis hin zu Musikwissenschaft, Theologie und Archäologie. Bei dieser Bandbreite lag es für uns nahe, dort ein Forschungszentrum einzurichten. Der DAAD finanziert übrigens nur Programmausgaben, das heißt nur inhaltliche Dinge, die Administration des Zentrums wird von der Universität Cambridge geleistet.

War der Ruf der Universität Cambridge wichtig bei dieser Entscheidung? Spielte das Universitätsranking eine Rolle?

Wir Deutschen neigen ja nicht unbedingt dazu, uns in diese Ranking-Euphorie zu begeben und ich denke auch mit gutem Grund. Aber sie sind nun einmal da. Natürlich spielt der akademische Stellenwert der Universität Cambridge eine Rolle, aber das alleine hätte uns nicht ausgereicht, um ein solches Zentrum dort zu etablieren. Uns war auch wichtig, wie intensiv der DAAD bereits mit Cambridge zusammenarbeitet. Wir haben bereits drei Lektorate im Bereich Germanistik/ Deutsch als Fremdsprache und Geschichte dort.

Hat der DAAD Möglichkeiten Einfluss zu nehmen auf die Inhalte der Workshops und der Veranstaltungen?

Ja. Es gibt das Advisory Board, in dem unsere Präsidentin Frau Professor Margret Wintermantel vertreten ist, zudem der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Peter Strohschneider, Anne McElvoy, eine Journalistin des „Economist“, und Sir Simon McDonald, früherer Botschafter Großbritanniens in Berlin, der jetzt im Britischen Außenministerium auf Staatssekretärsebene tätig ist. Der Patron des Advisory Boards ist übrigens Neil MacGregor, der frühere Leiter des British Museums und Kuratoriumsvorsitzender des neuen Humboldt Forums in Berlin. An der Konstruktion des Advisory Boards sehen Sie, dass wir darauf achten, dass der Wirkungsgrad dessen, was wir in Cambridge tun über den akademischen Bereich hinaus in die Öffentlichkeit geht. Unterhalb der Ebene des Advisory Boards arbeitet das Management Board. Es sichtet zwei bis drei Mal im Jahr die Anträge für Projekte, um mit den Kollegen in Cambridge gemeinsam zu entscheiden, was wir fördern können und was nicht.

Die Bibliothek von Murray Edwards College. Das 1954 gegründete College ist eines von dreien in Cambridge, die nur Frauen aufnehmen.

Ist das Cambridger Forschungszentrum mit 1 Millionen Euro für fünf Jahre ein großes oder eher kleines Projekt für den DAAD?

Dieser Förderrahmen von 200.000 Euro jährlich ist für ein solches Vorhaben im Bereich der Social Sciences und Humanities relativ typisch. Cambridge ist eines von insgesamt zwanzig Deutschland- und Europazentren, die der DAAD weltweit unterhält. In unserer Förderung ist es uns sehr wichtig, dass auch deutsche Universitäten davon profitieren. Das heißt also, wenn es zu Kooperationen kommt, legen wir großen Wert darauf, dass entweder Universitäten oder auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Deutschland mit einbezogen sind. In Cambridge haben wir die Hoffnung, dass das Projekt nach den fünf Jahren weiter gefördert wird, aber zu spekulieren in welchem Kontext das stattfindet, ist derzeit nicht das Thema. Nach dem negativen Referendum zum EU-Verbleib der Briten bekommt das Zentrum natürlich noch einmal einen besonderen Stellenwert, wenn es um deutsch-britische akademische Kontakte geht.

Was bedeutet denn der Brexit für den wissenschaftlichen Austausch und die Beziehung zwischen Großbritannien und Deutschland?

Die Arbeit des DAAD ist nicht an eine Mitgliedschaft Großbritannien in der Europäischen Union, gebunden. Trotzdem kann es in Bezug auf Personenfreizügigkeit, Arbeitserlaubnis, Visa-Erteilung, Finanzierung über EU-Programme usw. eventuell schwieriger werden. Momentan können wir aber nur spekulieren, wie eine akademische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Großbritannien, die jetzt schon sehr stark ist, dann aussehen wird. Die deutschen und britischen Universitäten haben die Brexit-Entscheidung sehr bedauert.

Was erhofft sich der DAAD von dem Forschungszentrum in Cambridge?

Neben dem Austausch der wissenschaftlichen Inhalte, hoffen wir, dass der DAAD mit bestimmten Themen stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird im Vereinigten Königreich. Eben weil wir mit einer Universität mit dem Stellenwert Cambridges zusammenarbeiten.

Wer sind die Teilnehmer der Workshops? Sind die Tagungen auch für die Öffentlichkeit zugänglich?

Die Teilnehmer sind Studierende ab dem Post-Graduate Level, also Master-Studierende aufwärts, und dann Wissenschaftler in allen Hierarchie-Ebenen. In der Regel wird es nicht darum gehen, die Ergebnisse einer solchen Veranstaltung auch an die Öffentlichkeit weiterzugeben, aber es wird sicherlich einen Bericht geben, wo wir darauf Bezug nehmen.

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Elite-Uni mit Touristen-Appeal: Sweatshirts in einem Shop in Cambridge

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat bei einer Rede in Osnabrück den Westfälischen Frieden als Denkmodel für den Mittleren und Nahen Osten vorgeschlagen und damit direkt auf einen Workshop des Research Hub in Cambridge Bezug genommen. Wie kommt es zu einer solchen Verbindung von Politik und Wissenschaft?

Die Bezüge sind verschiedener Art. Zum einen hat Herr Steinmeier das Thema sicherlich aufgegriffen, weil er zeigen wollte: Wir haben in der Geschichte ein Beispiel, das man eventuell anwenden könnte auf dem Weg zu einer Friedenslösung im Mittleren und Nahen Osten. Natürlich sind die historischen Bedingungen unterschiedlich, aber es gibt vielleicht Analogien. Anderseits ist es natürlich auch so: Wir bekommen das Geld von verschiedenen Ministerien, unter anderem vom Auswärtigen Amt und die Arbeit des DAAD steht im Kontext der sogenannten Außenwissenschaftspolitik. Insofern gibt es auch Bezüge indirekterer Art, aber wir sind dem Auswärtigen Amt als einem der Hauptgeldgeber des DAAD natürlich dankbar, wenn Herr Steinmeier ein solches Thema aufgreift.

Wie bei dem von Herr Steinmeier erwähnten Workshop, geht es bei dem Forschungszentrum oft um weltweite Themen. Die meisten Wissenschaftler stammen jedoch aus der EU. Liegt es daran, dass es ein Projekt zwischen zwei EU-Ländern ist?

Ja, das mag so sein. Das ist aber nicht so zu verstehen, dass wir uns dagegen verwahren würden, einen Wissenschaftler aus dem Libanon, aus Ägypten oder aus Israel mit einzubeziehen. Ganz im Gegenteil. Der Vice Chancelor aus Cambridge, Leszek Borysiewicz, hat im März diesen Jahres, also noch vor dem EU-Referendum, mit Blick auf seine Universität gesagt: „Yes we are international, but we are European first.“ Daraus ergibt sich natürlich, dass es jetzt schon ein sehr hohes Maß an Kooperation mit europäischen Partnern und Institutionen gibt. Und die britischen Universitäten machen sich mit gutem Grund Sorgen, dass es in der Zukunft anders aussehen könnte, eben nach dem vollzogenen Brexit. Ich weiß auch, dass Herr Borysiewicz mit der ETH Zürich in Kontakt steht, denn die Schweiz hat ja in vielerlei Hinsicht eine ähnliche Situation. Auch die Schweiz sieht sich mit bestimmten Restriktionen an der Teilhabe von EU-Programmen konfrontiert. Insofern kann es durchaus sein, dass die Gemeinsamkeiten zwischen Schweiz und Großbritannien größer werden.

Was wären für den DAAD gelungene Ergebnisse des Forschungszentrums?

Es ist nicht das Ziel des Projekts, dass wir zu einem Ergebnis kommen und dieses eine Ergebnis dann vorzeigen in dem Sinne: Das hat man an der Universität Cambridge mit Blick auf Deutschland herausgefunden. Das ist auch deshalb schwierig, weil viele verschiedene Disziplinen eingebunden sind, wie ich bereits eben erwähnt habe. Forschung ist ja ein ständiger Prozess, der nie abgeschlossen ist. Ich denke, dass wir als DAAD ein solches Zentrum haben, das sich gezielt mit Deutschlandthemen beschäftigt, ist ein Mehrwert an sich, auch und gerade für die beteiligten Wissenschaftler in Cambridge, die deutschen Institutionen und für die weiteren internationalen Partner.

Interview: Milena Bialas und Vanessa Jürcke

Foto der DAAD-Außenstelle in Bonn: © DAAD – Thomas Pankau

Foto aus Murray Edwards College © Christian Rakow, by kind permission of the President and Fellows of Murray Edwards College, Cambridge

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